Sonntag, 18. September 2011

Bienenhüten und Bierbrauen

 Seit zweieinhalb Wochen bin ich nun auf der Gooly Mooly Farm ( Familienunternehmen mit Bäckerei und Bienen !)  in der Nähe von Enderby, Okanagan. Im Gegensatz zu Denman Island oder Johnson´s Landing lässt sich feststellen, dass die Region hier wesentlich urbaner ist. 

Ausblick über die ersten roten Herbstblätter

Das Land ist dichter besiedelt, auf dem Highway fährt man an Werbung für McDonalds oder Tim Horton´s ( die kanadische Starbucks Version) vorbei und die nächste Stadt ist nur 15 min weit entfernt. Zunächst hat mich die Nähe zur Zivilisation wein wenig erschreckt, mittlerweile habe ich mich aber an die Tatsache gewöhnt und genieße Vorzüge wie abends in die Karaoke Bar oder ins Kino gehen. 

Charline und Olivier am Shuswap River

Die Gooly Mooly Farm wird von einem Ehepaar betrieben, dass vor etwa 30 Jahren aus der Schweiz ausgewandert ist und sich eine Existenz auf der Grundlage von "Harmonic  Farming" aufgebaut hat. Harmonic Farming bedeutet im weitesten SInne "im EInklang mit Flora und Fauna" und ist ein Konzept, das Permaculture und biodynamische Landwirtschaft vereint. So wird darauf verzichtet, die Erde mit zusätzlichem Kompost zu düngen, sondern nur die eigens auf einem bestimmten Quadratmeter produzierte Biomasse samt Nährstoffen zurück in den Boden gegraben.

vom Wildwuchs überwuchertes Gemüsebeet


  Außerdem sind Karotten oder Rote Beete nicht alleine für sich in Reih und Glied in einem eigenen Beet gepflanzt, sondern wild durcheinander umgeben von Sonnen- und anderen blühenden Blumen, die Bienen und weitere Insekten anlocken sollen. Die Idee, Pflanzen ihren eigenen Freiraum einzugestehen  und ihnen die Wahl ihres Standorts zu überlassen, macht das Unkrautjäten unnötig. Allerdings gibt es noch eine Menge mehr zu tun, um uns Wwoofer zu beschäftigen.

Brigitte und ich mit Backwaren auf dem Farmer´s Market in Salmon Arm
Insgesamt leben noch 4 weitere freiwillige Helfer auf der Farm; Charline und Olivier aus Belgien und Bess und Mike aus Ontario. Die große Anzahl and Wwoofern macht es notwendig, den Arbeitstag zu planen und zu organisieren. So haben wir geregelte Arbeitszeiten; von Montag bis Samstag, von 7:00 morgens bis 12:00 mittags. Die 5 Stunden am Vormittag verbringen wir mit  Aufgaben wie Pfirsiche einmachen, Bier brauen, Bienenkästen säubern, Kartoffeln ernten, Brot auf dem Markt verkaufen und Feuerholz hacken.

Charline, Oliver und ich beim Bier abfüllen

Charline und eine Menge Pfirsiche
Nicht zu Vergessen auch Lieblingsbeschäftigung Nummer 1: einen Zaun um das insgesamt 20 000 m² große Grundstück bauen. Das Material stammt dabei ( ganz nach dem Prinzip von Harmonic Farming) aus dem eigenen Wald. Mit Machete und Säge bewaffnet zieht man also los und fällt kleine Ahorne und Birken, deren Stämme man dann vertikal an einen weiteren, horizontal angebrachten Ast nagelt. So entsteht Stück für Stück ein Zaun, der aus weiterer Entfernung kaum sichtbar ist, da er perfekt an seine Umgebung ( Wald) angepasst ist. 

Phase 1: Baum fällen
Phase 2: Äste entfernen
Phase 3: Stamm festnageln
Phase 5: Zaun

Der Rest des Tages steht zur freien Verfügung, irgendwas ist immer los. In Salmon Arm, eine weitere Stadt im Umkreis, gibt es abends oft die Möglichkeit, eine Open Stage Veranstaltung zu besuchen. Da sich Gitarren eigentlich überall finden lassen, wenn man nur ein wenig sucht, hatte ich bereits meinen ersten Auftritt als MaryAnne ( Wiebke ist für nordamerikanische Verhältnisse ein zu abgefahrener Name).

MaryAnne, live on stage

Außerdem ist der Okanagan Lake nicht weit entfernt und man kann dort wunderbar die letzten Sommertage genießen. Wenn man Glück hat, sieht man sogar Ogopogo, das Monster im See, guter Freund von Nessie. Mit sovielen Leuten im Haus ist man nie alleine und es gibt immer etwas zu tun, sei es Gesellschaftsspiele, Spaziergänge, Spritztouren auf dem Motorrad oder geselliges  Zusammensein im Wohnzimmer. 

Sonnen am Okanagan Lake

Letzte Nacht hatten wir eine Abschiedsparty auf dem Hof, da Anisha, eines der 5 erwachsenen Kinder, demnächst für ein Jahr nach Europa aufbricht. In der Garage hat eine Band gespielt, es gab Gegrilltes über dem Lagerfeuer und Bowle mit frischen Himbeeren.

Jenny, Anisha und Ryan in der Garage
In ein paar Tagen werde ich diesen Ort dann auch wieder verlassen und meine Reise nach Prince George antreten, wo sich die Wege von Alex und mir das erste mal seit Juli wieder kreuzen werden. Ich genieße meine letzten Tage im verhältnismäßig warmen Okanagan, freue mich aber auch auf die kommende Zeit auf der im fernen Norden gelegenen Ootsa Lake Ranch.

Bienenhüten im Okanagan
 


Donnerstag, 1. September 2011

Meine Welt sind die Berge


Endlich habe ich es geschafft, mich für ein paar Minuten der Reiseberichterstattung zu widmen. Es ist schwer, meine Aufmerksamkeit auf das Niederschreiben meiner Erlebnisse zu lenken, denn ich habe immer das Gefühl etwas zu verpassen, wenn ich mich vor den Computer setze. Wahrscheinlich ist das ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass ich jeden Moment hier in Johnsons Landing genieße.
Doch ich fange besser von vorne an... Anfang August bin ich mit Francis, der mich netterweise in seinem Auto mitgenommen hat, nach Kaslo gefahren. Unser Roadtrip dauerte insgesamt 3 Tage und führte uns durch B.C´s Obst- und Fruchtanbauregion (Okanagan), sodass unser Kofferraum mit saftigen Pfirsichen und frischen Kirschen gefüllt war. 
Weinberge im Okanagan
 Kootenay River, Nelson
In Kaslo, einer 1000 Einwohner Stadt in den Kootenays, habe ich dann meine neuen Gastgeber für den nächsten Monat getroffen; Kate und Harvey, ein älteres Ehepaar die mir in den darauffolgenden Tagen sehr ans Herz gewachsen sind. Anstatt mich wie eine Arbeitskraft zu behandeln, wurde ich wie eine Tochter aufgenommen und mit offenen armen in alle Familienaktivitäten integriert. 
Hafen von Kaslo,  Kootenay Lake
mein erster Bär
Fletcher Falls
Nun befinde ich mich auf ihrem privaten Bauernhof in Johnson´s Landing; direkt in den Bergen und am Rande des endlosen Kootenay Lakes. Die Beiden sind letzte Woche allerdings in den Urlaub nach Alaska aufgebrochen, sodass ich die Farm alleine mit Galen, Harvey`s Sohn, und zwei neuen Wwofern betreue. Alles funktioniert sehr gut, einige entflohene Hühner und verdurstete Pflanzen ausgenommen. Ich habe mich verliebt in diesen Ort, alles ist so groß und mächtig. In den Wäldern trifft man auf Bären, Elche und Truthähne. An den Wegrändern wachsen farbenprächtige Wildblumen. Das Wasser des Sees ist so klar, als ob man in einen Spiegel tauchen würde.
Kootenay Joe
Gemüse Garten, Johnsons Landing Homestead
Megan + Mohn, Galen + Apfelkuchen, Wiebke + Erbsen
Meine Erlebnisse hier sind von einzigartiger Natur: anstrengende aber atemberaubende Wandertouren, ein Auftritt mit unserer Familienband auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung, Spritztouren mit dem AllTerrainVehicle, Dunkelheit erhellende Gewitterblitze in der Nacht, Schlafen unter dem Sternenhimmel, nächtlicher Besuch von Algot Johnson´s Geisterkatze, Gruselgeschichten am Lagerfeuer, Singen unter dem Apfelbaum, selbstgebackene Muffins auf dem Wochenmarkt verkaufen, eine Nacht in der Holzhütte auf dem Berggipfel.
Ausblick ins Kootenay Valley

Lubo, Katarina, Galen & Wiebke

Mount Willett


Alex am Fry River
Galen auf Kootenay Joe

Ich genieße wunderbare Gesellschaft, will nicht fort von diesem Ort auch wenn es mich in die Ferne zieht.
Momentan treffen wir alle fleißig Vorbereitungen für den Algot Johnson´s Day, der von Galen am 5. September organisiert wird. Algot Johnson war ein Einwanderer aus Schweden, der in den 20er Jahren diesen Landstrich besiedelte und eine Farm gründete. Ihm zu Ehren wird es eine Parade vom Fuße des Kootenay Joe Mountiain bis zum See geben, außerdem werden größte/kleinste Zucchini sowie die verrückteste Karotte prämiert. Die Bilder können zwar nicht alle Erlebnisse widerspiegeln, aber zumindest einen kleinen Eindruck vermitteln.
Kootenay Joe
Ruhe nach dem Sturm