Sonntag, 20. Mai 2012

Branding 2012

Morgens, sieben Uhr. Noch grasen die Rinder friedlich auf dem endlos wirkenden Feld vor meiner Haustür. Sage ich Haustür? Etwas entgeistert steht Lori- Anne am Fenster, auf der anderen Seite des Glases starren sie zwei neugierige Augenpaare an. Unschwer zu erkennen ist die Spur, die sich quer durch das Gemüsebeet und schließlich auch über die Fußmatte vor der Tür zieht. Wir sind uns nicht ganz sicher, wie es die beiden Kälber über Nacht in den Garten geschafft haben, ich lasse das Frühstück stehen, werfe mich in meine Cowboytracht und mache mich daran, die beiden Biester raus zu schmeißen, dann geht es zum Stall. Das Lasso über der Schulter, den Hafereinmer in der linken Hand, mit der rechten versuchend die fünf Halfter so zu greifen, dass sie auch beim Öffnen des Koppelgatters nicht in den Matsch fallen, mache ich mich daran, die Pferde einzufangen. Als ich zurück zur Scheune komme, trudeln einmälig die letzten Trucks mitsamt Pferdehänger ein, die meisten der Cowboys haben sich schon zusammen gefunden. 
 

Da wären Doc, Stan, Lindsay, Travis, Lori-Anne und noch einige, schon jetzt wird gelacht und es liegt ein kaum wahrnehmbarer, illusionierter (ich bestreite hier, dass er von Kerrys Zigarette stammt) Brandgeruch in der Luft; Es ist branding-day! Nachdem die Pferde gesattelt sind, macht sich die Gruppe auf den Weg, die Rinderherde aus dem Tal hoch zur Ranch zu treiben. 

 

tagging

Der Boden vibriert, die Range Road 44 staubt, als wir die Herden dem driveway zu treiben. Während einige von uns die Nachzügler durch Pfiffe und Rufe anzuspornen versuchen, habe ich mit dem Rest alle Hände voll zu tun, die Flanken der Herde durch eine Reiterkette zu „lenken“, an die Spitze zu galoppieren und Kälber von den Zäunen fern zu halten. Der cattledrive verläuft aufregend, bis auf den Verlust einiger Kälber, die durch unsere Kette brechen und zurück zum Feld rennen, aber ohne größere Probleme. Hinter dem Ranchhaus ist schon alles vorbereitet. Das Muhen der Kühe vereint sich zu einem durchgehend Grundton als wir die ca 600 Tiere in den branding corral getrieben haben. 
 Es folgt das Sortieren und Trennen zwischen Kühen und Kälbern, durch die vielen helfenden Hände (später erfahre ich, dass eine Crew von 40 Leuten zusammen gekommen ist) verläuft das nach anfänglichen Schwierigkeiten auch fließend. 
 

...und auch wenn man noch gar nicht gearbeitet hat
ist nichts gegen eine Pause einzuwenden!



Mittlerweile ist es ein Uhr mittags. Nach einer kurzen Lunchpause werde die branding- pots angeschmissen, die Aufgaben verteilt, das Spektakel kann losgehen. Ein Gruppe von rund 70 Kälbern wir in separiert, die Roper begeben sich zu Pferd in die Gruppe; It is roping time! Ein Kalb nach dem anderen wird an den Hinterläufen eingefangen und zu den branding pots gezogen. Hier warten die wrestle- teams. Einer übernimmt die Vorderläufe und den Kopf, der andere die Hinterläufe. Die mittlerweile zum Teil schon ziemlich schweren Kälber werden auf die Seite geschmissen und festgelegt. Aus erster Hand kann ich bezeugen, dass diesen wrestlen auch eigentlich, meistens immer … funktioniert … zumindest wurde über den Tag keiner ernsthaft verletzt! Die Prozedur, die nun auf die Kälber wartet, läuft, durch die fest eingeteilten Aufgaben, fließend ab. Es wird das Brandzeichen gesetzt, geimpft, kastriert, geohrmarkt und enthornt. 

Roping


Dragging


Wrestling 1

Wrestling 2


 

Sagte ich, es gab keine Verletzungen?
Naja, irgenwie ist Lindsay dann doch abgerutscht und hat den falschen getroffen...
 Auch wenn es mit Sicherheit nicht ganz schmerzfrei abläuft, die meisten der Tiere lassen die Prozedur, die im Durchschnitt nicht länger als dreißig Sekunden dauert, ohne größere Gegenwehr über sich ergehen. Nach fünf Stunden ist das branding vorrüber. Die Eisen verglühen langsam, die letzten prairie oysters werden verspeist (das gehört zu so einem richtigen branding anscheinend einfach dazu) nachdem die Rinder wieder vereint auf die Weiden zurück getrieben wurden, versammelt sich die gesamte Crew des Tages in der Garage zu einem vorzüglichen Dinner in der Garage. Es liegt einer meiner aufregendsten, canadischen Tage hinter mir, wir hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter.


Die darauf folgenden Tage verliefen etwas entspannter. Es gab eine Menge Reste zu vertilgen, die Aufräumarbeiten waren auch schnell erledigt. Im Garten den Palace spannten wir mal wieder einen, zur slackline umfunktionierten, Spanngurt. Es macht tierisch Spaß, so ziemlich jeder dieser, meiner netten Großfamilie musste bis mindestens einmal ausprobieren. 

...soo much fun with a tie down!

 

 

 

Es wird viel gelacht, bei einem leckeren Essen kann man so sehr nette Abende verbringen. Bei einem Ausflug bekam ich dann auch die nähere Umgebung etwas zu sehen. Zusammen mit Lori-Anne und Michelle habe ich mich in Kananaskis Country begeben; Biking, hiking and caving! 

Mai und es schneit!

 

 

...caving!

 

Eis am Stiel
 Zum Glück hörte es während unsere Aktivitäten auf zu schneien, über den Felsspalten der Ice Caves kletternd bot sich uns, trotz der Bewölkung, eine atemberaubende Sicht über den Bragg Creek. 


Ice Caves Bragg Creek, Kananaskis Country
   Unbeachtet des Feuerverbots, das an diesem Tag nun wirklich keinen Sinn gemacht hat, muss ich eingestehen, dass die Hotdogs nach den sportlich Aktivitäten einfach eine ziemlich gute Idee waren.



Back at home stand dann Farming an. 



Mir ist klar geworden, dass das Radio mit Abstand eine der besten Erfindungen der Menschheit ist. Klar, ich habe viel punkto Trecker fahren gelernt, es ist interessant, ich weiß allerdings nicht, wie ich es ohne diese wunderbare Dauerberieselung hätte aushalten sollen. Bei meiner längsten Schicht die ich eingelegt habe (als kleines Dankeschön dafür, dass mich meine Gastgeber/ Arbeitgeber/Freunde in die Stadt gefahren und cowboygamäß neu eingekleidet haben: vielen,vielen Dank an dieser Stelle!!!) habe ich nun auch die Vorteile einer Klimaanlage und frisch gebackenen Cookies (ich habe eine Superroommate!) zu schätzen gelernt. Ich muss gestehen, nach fünf Stunden wurde es langsam langweilig, man kennt einfach irgendwann die gesamte Bandbreite der canadischen Charts. Als ich dann um 3:30Uhr nachts nach Hause kam, war ich einfach nur müüüüüde, aber froh und „etwas“ stolz das farming fürs erste erfolgreich beendet zu haben.

 

Nachdem seine Mutter gestorben ist,
müssen wir Worf mit dem Eimer groß ziehen.





 Der heutige Abend fällt etwas ruhiger aus. Nach einem Sonnenspaziergang genieße ich einfach mal meinen freien Tag, muss allerdings gleich nochmal ein ernstes Wörtchen mit dem Hund und der Katze reden, was das Zerlegen des Mülleimers betrifft.

Got ya!
Ganz viele liebe Grüße aus Alberta, Cochrane, Rockie View Country