Morgens, sieben Uhr. Noch grasen die
Rinder friedlich auf dem endlos wirkenden Feld vor meiner Haustür.
Sage ich Haustür? Etwas entgeistert steht Lori- Anne am Fenster, auf
der anderen Seite des Glases starren sie zwei neugierige Augenpaare
an. Unschwer zu erkennen ist die Spur, die sich quer durch das
Gemüsebeet und schließlich auch über die Fußmatte vor der Tür
zieht. Wir sind uns nicht ganz sicher, wie es die beiden Kälber über
Nacht in den Garten geschafft haben, ich lasse das Frühstück
stehen, werfe mich in meine Cowboytracht und mache mich daran, die
beiden Biester raus zu schmeißen, dann geht es zum Stall. Das Lasso
über der Schulter, den Hafereinmer in der linken Hand, mit der
rechten versuchend die fünf Halfter so zu greifen, dass sie auch
beim Öffnen des Koppelgatters nicht in den Matsch fallen, mache ich
mich daran, die Pferde einzufangen. Als ich zurück zur Scheune
komme, trudeln einmälig die letzten Trucks mitsamt Pferdehänger
ein, die meisten der Cowboys haben sich schon zusammen gefunden.
Da
wären Doc, Stan, Lindsay, Travis, Lori-Anne und noch einige, schon
jetzt wird gelacht und es liegt ein kaum wahrnehmbarer, illusionierter
(ich bestreite hier, dass er von Kerrys Zigarette stammt) Brandgeruch
in der Luft; Es ist branding-day! Nachdem die Pferde gesattelt sind,
macht sich die Gruppe auf den Weg, die Rinderherde aus dem Tal hoch
zur Ranch zu treiben.
tagging |
Der Boden vibriert, die Range Road 44 staubt,
als wir die Herden dem driveway zu treiben. Während einige von uns
die Nachzügler durch Pfiffe und Rufe anzuspornen versuchen, habe ich
mit dem Rest alle Hände voll zu tun, die Flanken der Herde durch
eine Reiterkette zu „lenken“, an die Spitze zu galoppieren und
Kälber von den Zäunen fern zu halten. Der cattledrive verläuft
aufregend, bis auf den Verlust einiger Kälber, die durch unsere
Kette brechen und zurück zum Feld rennen, aber ohne größere
Probleme. Hinter dem Ranchhaus ist schon alles vorbereitet. Das Muhen
der Kühe vereint sich zu einem durchgehend Grundton als wir die ca
600 Tiere in den branding corral getrieben haben.
Es folgt das
Sortieren und Trennen zwischen Kühen und Kälbern, durch die vielen
helfenden Hände (später erfahre ich, dass eine Crew von 40 Leuten
zusammen gekommen ist) verläuft das nach anfänglichen
Schwierigkeiten auch fließend.
...und auch wenn man noch gar nicht gearbeitet hat ist nichts gegen eine Pause einzuwenden! |
Mittlerweile ist es ein Uhr mittags.
Nach einer kurzen Lunchpause werde die branding- pots angeschmissen,
die Aufgaben verteilt, das Spektakel kann losgehen. Ein Gruppe von
rund 70 Kälbern wir in separiert, die Roper begeben sich zu Pferd in
die Gruppe; It is roping time! Ein Kalb nach dem anderen wird an den
Hinterläufen eingefangen und zu den branding pots gezogen. Hier
warten die wrestle- teams. Einer übernimmt die Vorderläufe und den
Kopf, der andere die Hinterläufe. Die mittlerweile zum Teil schon
ziemlich schweren Kälber werden auf die Seite geschmissen und
festgelegt. Aus erster Hand kann ich bezeugen, dass diesen wrestlen
auch eigentlich, meistens immer … funktioniert … zumindest wurde
über den Tag keiner ernsthaft verletzt! Die Prozedur, die nun auf
die Kälber wartet, läuft, durch die fest eingeteilten Aufgaben,
fließend ab. Es wird das Brandzeichen gesetzt, geimpft, kastriert,
geohrmarkt und enthornt.
Roping |
Dragging |
Wrestling 1 |
Wrestling 2 |
Sagte ich, es gab keine Verletzungen? Naja, irgenwie ist Lindsay dann doch abgerutscht und hat den falschen getroffen... |
Auch wenn es mit Sicherheit nicht ganz
schmerzfrei abläuft, die meisten der Tiere lassen die Prozedur, die
im Durchschnitt nicht länger als dreißig Sekunden dauert, ohne
größere Gegenwehr über sich ergehen. Nach fünf Stunden ist das
branding vorrüber. Die Eisen verglühen langsam, die letzten prairie
oysters werden verspeist (das gehört zu so einem richtigen branding
anscheinend einfach dazu) nachdem die Rinder wieder vereint auf die
Weiden zurück getrieben wurden, versammelt sich die gesamte Crew des
Tages in der Garage zu einem vorzüglichen Dinner in der Garage. Es
liegt einer meiner aufregendsten, canadischen Tage hinter mir, wir
hatten unglaubliches Glück mit dem Wetter.
Die darauf folgenden Tage verliefen
etwas entspannter. Es gab eine Menge Reste zu vertilgen, die
Aufräumarbeiten waren auch schnell erledigt. Im Garten den Palace
spannten wir mal wieder einen, zur slackline umfunktionierten,
Spanngurt. Es macht tierisch Spaß, so ziemlich jeder dieser, meiner
netten Großfamilie musste bis mindestens einmal ausprobieren.
...soo much fun with a tie down! |
Es
wird viel gelacht, bei einem leckeren Essen kann man so sehr nette
Abende verbringen. Bei einem Ausflug bekam ich dann auch die nähere
Umgebung etwas zu sehen. Zusammen mit Lori-Anne und Michelle habe ich
mich in Kananaskis Country begeben; Biking, hiking and caving!
Mai und es schneit! |
Eis am Stiel |
Ice Caves Bragg Creek, Kananaskis Country |
Unbeachtet des Feuerverbots, das an diesem Tag nun wirklich keinen
Sinn gemacht hat, muss ich eingestehen, dass die Hotdogs nach den
sportlich Aktivitäten einfach eine ziemlich gute Idee waren.
Back at home stand dann Farming an.
Mir
ist klar geworden, dass das Radio mit Abstand eine der besten
Erfindungen der Menschheit ist. Klar, ich habe viel punkto Trecker
fahren gelernt, es ist interessant, ich weiß allerdings nicht, wie
ich es ohne diese wunderbare Dauerberieselung hätte aushalten
sollen. Bei meiner längsten Schicht die ich eingelegt habe (als
kleines Dankeschön dafür, dass mich meine Gastgeber/
Arbeitgeber/Freunde in die Stadt gefahren und cowboygamäß neu
eingekleidet haben: vielen,vielen Dank an dieser Stelle!!!) habe ich
nun auch die Vorteile einer Klimaanlage und frisch gebackenen Cookies
(ich habe eine Superroommate!) zu schätzen gelernt. Ich muss
gestehen, nach fünf Stunden wurde es langsam langweilig, man kennt
einfach irgendwann die gesamte Bandbreite der canadischen Charts. Als
ich dann um 3:30Uhr nachts nach Hause kam, war ich einfach nur
müüüüüde, aber froh und „etwas“ stolz das farming fürs
erste erfolgreich beendet zu haben.
Nachdem seine Mutter gestorben ist, müssen wir Worf mit dem Eimer groß ziehen. |
Der heutige Abend fällt etwas
ruhiger aus. Nach einem Sonnenspaziergang genieße ich einfach mal
meinen freien Tag, muss allerdings gleich nochmal ein ernstes
Wörtchen mit dem Hund und der Katze reden, was das Zerlegen des
Mülleimers betrifft.
Got ya! |
Ganz viele liebe Grüße aus Alberta, Cochrane,
Rockie View Country
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