Sonntag, 29. April 2012

Der Alltag des Cowboys


 Es ist zwei Uhr nachts; mein Wecker klingelt. Ich fahre hoch erwürge das nervtötende Geräusch und bemerke, dass ich jede Nacht etwas schneller im Ausschalten im Ausschalten werde und mich immer mehr überwinden muss, auch wirklich aufzustehen. Verschlafen ertaste ich den Lichtschalter, ich schlüpfe in die dreckige Jeans, werfe die Jeansjacke über die Schulter und stolpere die Treppen zur Tür hinunter, der Cowboyhut und die Stiefel vollenden meine Arbeitstracht. Langsam schlendere ich durch die Rinderherde, lasse den Lichtkegel des Scheinwerfers langsam über die Tiere wandern. Meine Hoffnung erfüllt sich diese Nacht: Kein neues Kalb, das heißt ich kann nach der Patrouille relativ schnell wieder zurück ins Bett.



Willkommen auf der Welt!
 Während wir im Höhepunkt der calving-season alle Hände voll zu tun haben, kommt unerwartet das Winterwetter zurück. Für ein paar Tage zeigt sich der Frühling Albertas von seiner frostigen Seite, Wir sind innerhalb von vierundzwanzig Stunden gut 30cm eingeschneit. 



gophers all over the place!


Die Kontrollchecks werden auf alle zwei Stunden erweitert, ich ziehe es vor mir den Weg zu sparen und die Nacht in der Scheune zwischen den Heuballen zu verbringen. Nachdem der Schnee unaufhörlich im Minutentakt das Dach herunter rutscht, ziehe ich um vier Uhr um: In der calving-barn kann ich wenigstens noch ein paar Stunden die Augen zu machen, an die Kuh mit Kalb im Zweimeterabstand habe ich mich schnell gewöhnt. 

Das Nachtlager


Als ich am nächsten Morgen die unvergesslichste Autofahrt meines isherigen Lebens hinter mir habe, schwöre ich mir, meinen geliebten Truck unter den herrschenden Winterbedingungen einfach nicht mehr anzurühren. Auch wenn der Heimweg von der Fleischlieferung nur rund 25 Kilometer lang ist, es ist der Horror: Durch den Schnee, kann ich die Beschilderung der Straßen (sowohl gravelroads als auch highway) nicht lesen, die Skizze, die mir Lindsay angefertigt hat, stellt sich als falsch heraus, ich lande haarscharf, wahrscheinlich bedingt durch die speziellen Brems- und Lenkeigenschaften des Dodges, im Graben (ich sehe drei Fahrzeuge, die von der Fahrbahn abgekommen sind und nun im Graben qualmen), abschließend rutsche ich an meiner Kreuzung vorbei. Frei nach dem Motto „if you can't dodge it, ram it“ beschließe ich den Umweg zur nächsten Stadt in Kauf zu nehmen, möglichst nicht mehr zu lenken und auch das Bremsen sein zu lassen.

"If you can't dodge it, ram it!"

 Etwas fertig komme ich eineinhalb Stunden später wieder auf der Ranch an, ich habe eine neue Geschichte zu erzählen und muss mich erst einmal bei cookies and coffee erholen. Den Rest der Fleischlieferung erledigen Lindsay und ich dann doch zusammen. Nachdem wir die Lieferung bei der Schlachterei abholen, übernehme ich die Copilotrolle, wir sind den Rest des Tages damit beschäftigt die Liste der Bestellungen abzuarbeiten und zu den Kunden raus zu fahren. 
 






Mein Aufgabenbereich umfasst so ziemlich jede Tätigkeit, die hier auf den Ranchen anfällt. Von Treckerfahren, über Füttern, Ausmisten, Zäune bauen und reparieren. Ich habe schon jetzt unglaublich viel gelernt.

Die hohe Kunst des Zaunbaus


...letzte Vorbereitungen fürs branding!
WANTED!!!

Es ist Donnerstag. Mit einem Eimer voll Hafer bewaffnet klettere ich über das Weidentor. Unermüdlich „come boys, come boys“ rufend positioniere ich mich möglichst standfest neben dem Tor. Ein Wiehern ertönt, dann kommt die Pferdeherde der Ranch auf mich zu galoppiert. Ich werfe meinem Paint Horse den Strick um den Hals, fange noch drei andere Pferde ein und parke sie dann in der Scheune. 


Nach und nach kommt die Crew, eine Gruppe aus Cowboys, bestehend aus Lindsay, Travis, Lori-Anne, Doc, Stan und mir, zusammen. Eine knappe Begrüßung, die Pferde werden geputzt und gesattelt und auf geht’s. 

Die Kuh muss wohl auf den Kleinen
getreten sein:
Das Bein ist gebrochen

Dank Doc:
Ein erneutes Mal vet yourself! ;)



...und das verarztete Kalb geht zurück zur Mama!

We are riding at one! Auf dem Weg zur Herde werden Witze erzählt und gelacht. Ich liebe diese Tage, über die Prärie galoppieren, die neuen Kälber mit dem Lasso einfangen, impfen und markieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe ich die Kunst des Lasso werfen jetzt nach etlichen Trainingseinheiten gefestigt. Hat man sich ein Kalb ausgesucht, heißt es „ride hard and ctach em!“. 


got him!


Manche der Kühe zeigen sich dann etwas ungemütlich. Sie Fangen an zu schnauben, manche attackieren. Ich der freie Mann hat dann die Verantwortung die Bodencrew beim Impfen zu beschützen. Der Größe meines Pferdes habe ich es zu verdanken, dass uns die Kuh nicht um schmeißt, als wir uns als lebende Barriere zwischen Lindsay und Rindviech begeben.


 Immer dabei: Quill der Border Collie. Der alte Junge hilft wo er kann, zwickt die Problemrinder in die Fersen, man kann ihm die Freude an der Arbeit ansehen. 


Es rumst ganz ordentlich, als einer der Kuhfüße ihn unter der Schnauze trifft. Doch genau wie mein Pferd, steckt der Hund den Angriff unbeeindruckt weg, alle sind in der Arbeit vertieft. Nach rund fünf Stunden sind die Rinder versorgt, die Crew macht sich auf den Heimweg. Im Stackroom wird dann an einem solchen Abend vorm Feuer ein Whiskey getrunken, noch mehr Witze und Cowboystories erzählt und viel gelacht. 
 
Die wahren Cowboys

Ein neuer Tag kann kommen, ich mache mich auf den Heimweg und reite in den Sonnenuntergang!
Liebe Grüße aus Alberta


1 Kommentar:

  1. I wish I could read this! I would love to hear how you describe life on the ranch(s)! Great photos Alex :)

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