Mittwoch, 18. Januar 2012

Klirrende Kälte, es ist "etwas kühl"!

Meinen Puppies geht es bestens!
Und dann übt er das Heulen ausgerechnet neben meinem Ohr.
Zum Heulen...
früh übt sich...
 Morgens, 06:50Uhr. Mein Wecker klingelt wie immer viel zu früh, meine Finger ertasten nach erfolgreichem Ausschlagen des nervenden Uhrwerks die Thermohose, die Wollmütze und den Rest der wärmenden Bekleidung. Die gefrorene Flasche auf meinem Nachttisch zeigt, dass das Feuer über Nacht wohl doch etwas früher ausgegangen sein muss. Es ist dann allerdings noch etwas aufweckender, wenn man dann feststellt, dass die Schuhe gefroren sind. 


Heute morgen bleiben die meisten der Vierbeiner in ihren Hütten liegen, während wir uns auf den Weg zu Main Lodge machen; die schwach zu erkennenden Polarlichter über dem großen Blockhaus lassen ebenfalls auf eine kalte Nacht schließen. Dann die Auflösung: Das Thermometer hat die -40°C Grenze überschritten!!! 

 
 

Ich hatte mir diese Temperaturen schlimmer vorgestellt, ich zitiere hier einen der Freiwilligen: „Es ist etwas kühl!“. An dieser Stellen nun trotzdem ein Tipp von mir: Solltet ihr jemals in diese Temperaturen kommen, bewaffnet euch mit einem Vorschlaghammer und einer Schaufel und schlagt den ganzen Tag lang Hundehütten vom Eis frei. Das hilft, man braucht dann auch nur noch zwei Jacken!
Trotz der herrschenden Temperaturen sind die Fleischportionen für den Tag über Nacht im Boilerraum ausreichend aufgetaut, sodass wir die Fleischbrühe für das Rudel an diesem Morgen nicht erst mit den Händen zerbröckeln müssen. Noch schnell die Eimer mit Hundefutter auffüllen, Heute benötigt es schon den einen oder anderen Anlauf um auch den letzten der Huskys zum Fressen zu überreden, einige der besonders Dünnen bekommen noch schnell einen Mantel übergezogen, nachdem die Hunde versorgt worden sind heißt es endlich auch für uns Frühstück. „Dogs first!“.

Nebenschwaden über der "Stadt der Hunde"











Seit einigen Tagen ist Frank wieder da, das Arbeitsklima ist seitdem erstaunlich schnell wieder in das normale, bisweilen etwas angespannte, Level abgesackt. Auch Anne ist wieder aus ihrem Urlaub zurück. Ich rege mich mittlerweile nicht mehr so sehr (naja, eigentlich schon) über das fehlende Grüßen auf. Auch wenn das Verhältnis zwischen Team und Chefin nicht das beste ist, ich finde einfach, dass ein kurzes Guten Abend das mindeste ist. Auch wenn unsere Teamarbeit gerade über die stressige Zeit meines Erachtens ganz hervorragend gelaufen ist, so haben wir nun einen Brief bekommen, in dem uns klare Anordnungen gemacht werden (z.B. Main Lodge verlassen um 21 Uhr) und durch den die herrschenden Umstände geändert werden sollen. Bezüglich der Konsequenzen finde ich das allerdings schon fast ein bisschen traurig...


Vor der Main Lodge steht ein einzelner Schlitten. Ich habe nach dem Frühstück die Inspektion zu erledigen, ein Camping Trip steht an. 

vorher...
...nachher!


















Ich bin überrascht, wie viel Equipment für ein Dogteam und zwei Menschen über drei Tage benötigt wird. Auch die Hunde müssen für dieses Unterfangen entsprechend vorbereitet werden. Nachdem ich schon etliche Stunden mit Fell- und Krallenschneiden verbracht habe, sind die acht Hunde des Campingteams kein großes Problem. Ich bin gut eine halbe Stunde beschäftigt, habe somit allerdings das Verletzungsrisiko (Eisklumpen zwischen den Hundepfoten) effektiv vermindert.
Während wir in das Poopscoopen vertieft zwischen den Hundehütten über den Yard schlendern, ziehen auf einmal bestimmt 20 Tonnen Metall, grelle Lichter und das laute Ruckeln eines Schneepfluges unsere Aufmerksamkeit auf den Huskytrial (offizieller Name der Straße, die uns mit dem Highway verbindet). Später stellt sich heraus, dass der Nachbar in dem Bagger sitzt und die Straße räumt. 

 

Auch die Tatsache, dass ich am Nachmittag ausrücken muss um einen Truck aus dem Graben zu ziehen, das letztendlich aber von besagtem Bagger erledigen lasse, zeigt mir dann doch die Vorzüge dieses Ungetüms. This is the yukon way of life!

Ja, so in etwa muss auch mein Ausrutscher ausgesehen haben...

Es hat ordentlich geschneit.


Am Nachmittag ist es dann soweit, der Trial muss für den nächsten Tag neu gespurt werden. Ich starte das Schneemobil, belade einen Tabbogan mit Fleischblöcken als Gewicht, schnalle meinen Rucksack und die Skibrille auf und ziehe die Sturmhaube tief ins Gesicht. Durch den schneidenden Wind, der über den Fluss fegt, ist der Trial schon vollständig verschwunden. Nur die leichte Veränderung der Schneefarbe lässt die Spuren der letzten Trips erahnen. Während ich versuche dem ursprünglichem Trial zu folgen, zumindest den ungefähren Verlauf der Strecke habe ich mittlerweile durch das tägliche Guiden schon ziemlich gut drauf, steuere ich die Schneemaschine so gut es geht um die Overflowflächen, an manchen Stellen ist die Eisfläche aufgebrochen. Nach rund eineinhalb Stunden habe ich den gesamten Trial wieder eröffnet, der nächsten Tour steht damit nichts mehr im Wege. 

Man beachte den Trial am rechten Fotorand
und das fließende Wasser!
 
 
Mischief, einer der besten leader!

Nach einem solch „kühlen“ Tag steht dann ein Filmabend an, wir hören Musik oder ziehen uns nach dem Dinner in die Staffcabin zurück, entzünden die Öllampen und lassen damit meistens dann den Tag ruhig ausklingen. Mein Lieblingshunde Lec und Sprocket werden wahrscheinlich wieder früher als ich einschlafen, aber das ist ok. Spätestens wenn sie anfangen zu schnarchen, ist das dann auch für mich das Zeichen die Flamme aus zu pusten. 

...und meine Favoritin! <3

Doch heute ist Freitag, das heißt Stadtabend. Das gesamte Team macht sich mit dem Muktukbus auf den Weg Richtung Whitehorse, heute werden die Takhini Hot Springs besucht. Auch wenn das Chlor nicht auszuhalten ist, das Wasser ist warm. Nach einigen Abkühlungen im Schnee und der darauf folgenden Schneeballschlacht im Pool pauern sich an dieser Abend alle noch einmal so richtig aus. 

Die Takhini Hot Sprigs entpuppen sich als Chlorpools!














Am Ende haben alle gute Laune, vor allem durch das brennende Chlor in den Augen freue ich mich allerdings ziemlich auf mein Bett. In diesem Sinne wünsche ich eine Gute Nacht und lasst das Feuer nicht ausgehen. Cheers!

Mittwoch, 4. Januar 2012

Eine rutschige Angelegenheit


Man beachte den letzten Schlitten. An meinem freien Tag nutze ich die Gelegenheit,
auch mal wieder auf dem Schlitten zu stehen.
Nach der Hälfte der Tour habe ich mich dann allerdings von der geführten Gruppe abgesondert.

Es ist Dienstagabend. Um 21 Uhr liegt nach wie vor der Alaskan Highway vor mir, es schneit. Sobald man das Fernlicht anschaltet, ziehen sich die Schneewolken, die sich von der Straße erheben und vor allem von entgegen kommenden Fahrzeugen aufgewirbelt werden, wie weiße Schleier über die Windschutzscheibe hinweg. Im Licht, der sich mir nähernden Kreuzung, zieht ein Kojote seine Spur durch den Schnee am Straßenrand. Wie die letzten zwei Tage habe ich abends Mario besucht. Sobald wir Probleme mit den Schneemobilen haben, ist er die erste Anlaufstelle.
Und ja, wir hatten Probleme. An einem ganz normalen Tag als Tourguide auf dem zugefrorenen Takhini River passierte es das erste Mal. Als ich umdrehe um nach dem letzten Schlitten zu gucken, heult plötzlich der Motor des Skidoos auf. Mit gehörigem Tempo rase ich auf das Ufer zu, meine Versuche das verrückte Ding irgendwie zu stoppen fallen etwas vergeblich aus, mir fällt auf, dass der Gashebel nicht mehr zurück springt und die Bremse nicht mehr funktioniert. Kurz vorm scheinbar unvermeidlichem Aufprall, betätige ich dann doch den kill switch. Die Folge dieser Flusstragödie ist, dass ich den Rest der Tour mit einem ATV geführt habe und wieder ein spannendes Erlebnis mehr zu erzählen habe. Als ich abends zurück bin fällt mir das Schneemobil vor der Main Lodge auf und Marc kommt mir etwas mürrisch mit dem Arm in einer Schiene entgegen. Auf die Feststellung, dass das Schneemobil uns beide anscheinend umbringen wollte und dass Marc vielleicht anstelle des Sprungs vom der rasenden Maschine, kurz vor dem im Baum parken, auch den roten Knopf bedienen hätte sollen, müssen wir dann doch nach diesem James Bond verdächtigen Tag ein bisschen schmunzeln. 

Und es steht da, als wäre nichts passiert.
(Doch, es sieht ein bisschen gemein aus, oder?)
 (Mario erklärte mir später, dass sich die Gasleitung mit dem Bremskabel verklemmt hätte.)
Hinter mir liegen anstrengende Tage. Durch meine Guidebeförderung stand der endgültige Umzug in die Staffcabin an, die Feiertage fielen stressig aus.

Mehr Platz, aber angesichts der gefrorenen Wasserflasche
sollte man vielleicht doch ein Feuer anmachen...

Eine der vielen Touren

 Bei den täglichen Touren, die wir drei Guides zu managen hatten, fiel der Eisangeltrip noch am gemächlichsten aus. Ausgestattet mit einem Eisbohrer, einer Hand voll Angeln, einer Kühlbox mit Kaffee, heißer Schokolade, Cookies und der Touristengruppe in den Toboggans hinter den Schneemobilen ging es dann raus auf den Fluss. Leider blieben unsere zweistündigen Versuche an den vier Angellöchern vergebens, alle hatten trotzdem Spaß.

Ok, mit den Gästen sind wir nicht ganz so schnell gefahren.
...dementsprechend sah auch nur ich etwas eingeschneit aus
 
Leider blieb der Eimer auch nach zwei Stunden vergeblicher Angelei leer
 
Ich biege in die Straße nach Muktuk ab. Durch den Schneepflug haben sich an den Rändern der Straße schon gehörige Schneemengen angehäuft. In einem kurvigen Stück der Strecke passierte es dann. Im Seitenspiegel sehe ich, wie der Hänger anfängt zu schlingern und dann sitze ich auch schon mit dem gesamten Gespann im Graben. Durch eine Geschwindigkeit von nur 30kmh komme ich erstaunlich schnell zum stehen. 
(Manuela erklärt mir später, dass die einzige Möglichkeit in einer solchen Situation eine Beschleunigung sei. Hinterher ist man halt doch immer schlauer.)
Auch meine Versuchen den Truck in low gear und ohne Hänger raus zu hauen bleiben in dem hüfthohen Schnee vergebens. Nach etlichen vergeblichen Versuchen fällt mir dann das Handy in meiner Hosentasche ein, dass ich zum Glück diesen Abend eingesteckt habe. Die „Abschleppcrew“ erscheint wenig später und dieses Mal ist es Frank, der mich aus dem Schnee zieht. Ich bin nach dieser Aktion etwas geschafft, der Truck fährt zum Glück noch.
Nach diesem Rutsch im alten Jahr, hoffe ich, dass alle ebenfalls eine guten Rutsch ins neue Jahr hatten (bitte nicht wörtlich nehmen!) und wünsche euch allen auf diesem Wege alles, alles Gute aus Kanada.
Cheers


P.s.: Mein Silvester fiel dieses Jahr kanadisch ruhig aus. An der Tatsache, dass alle bis nach Mitternacht aufgeblieben sind, dass es Raclette gab und dass die Hunde durch das kaum wahrnehmbare Knallen in der Stadt das eine und andere Mal unruhig wurden hat man den Jahreswechsel dann doch irgendwie mitbekommen. Also noch einmal: Alles Gute für 2012!!!


Sonntag, 1. Januar 2012

Durch Zeit und Raum


Ungeachtet der Tatsache, dass ich seit Oktober ´11 keinen Blogeintrag mehr verfasst habe, werde ich nun nahtlos an meine voherige Berichterstattung anknüpfen.
Eigentlich hatte ich vor, Abstand von der herkömmlichen Erzählstruktur zu nehmen, die meist linear zur zeitlichen Abfolge verläuft.
Dann würde ich als Erstes von meinem Farmaufenthalt auf Salt Spring Island berichten, der etwa einen Monat zurück liegt und mir vorwiegend wegen den Tonnenladungen an Hundekuchen in Erinnerung geblieben ist, die ich dort in einer kleinen Küche in Anwesenheit von 9 hunrigen Vierbeinern hergestellt habe. Ich würde erzählen von...
... sonnigen Spaziergängen im Ruckle Provincial Park, bei denen man nicht selten auf Seehunde und Weißkopfseeadler trifft

... wilden Truthahneinfangversuchen, die als begehrter Weihnachtsschmaus ganz oben auf der Wunschliste vieler Kanadier stehen
... einem mehr als delikatem Gourmet-5-Sterne-Dinner mit fangfrischem Krebs- und Krabbenfleisch
... dem bestimmten Verhältnis von Bratensoße und Maismehl, das man bei der fachmännischen Herstellung von Hundekuchen unbedingt beachten sollte
... und von Ganges Harbour, dem charmantesten Hafen der man sich wohl vorstellen kann.

Völlig aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen käme nun die Anekdote mit dem vielsagendem Namen "5 Reisende und ein kaputtes Auto", die sich so oder so ähnlich in der Vorweihnachtszeit auf dem Weg von Victoria nach Nelson ereignet hat. Nicht zu vergessen natürlich der, bereits dritte, Aufenthalt bei meiner kanadischen Ersatzfamilie in Johnsons Landing. Ich würde erzählen von..
... einer Wanderung zum Fry Creek Point und meiner Enttäuschung, da noch überhaupt kein Schnee zu sehen ist
  
... drei ganz wunderbaren Menschen und einem Hund, die mir alle sehr ans Herz gewachsen sind
...dem ersten Schneefall in Kaslo
 ... und von meiner Freude darüber.

Anschließend würde ich in den früher November zurückverfallen und von meiner Großstadtzeit  in Vancouver erzählen,  in der ich meinen Durst nach Kunst und Kultur gestillt habe. Hühner fütter und Kohl ernten erfüllen eben nicht das gleiche Bedürfniss wie Theaterbesuche und Konzerte.
Ich würde erzählen von...
... den Feierlichkeiten in einer Canadian Legion am Rememberance Day, der am 11. 11 in Gedenken an die gefallenen Soldaten zelebriert wird
... Ausflügen an die English Bay, die trotz ihrer zentralen Lage eine kleine Oase zwischen den großen Wolkenkratzern bildet
... 11 lachenden Riesen aus Zink
... und von der Zelstadt des Occupy Vancouver auf dem Vorhof der nationalen Art Gallery.

Dann ist mir jedoch aufgefallen, dass dieser durcheinander geratene Darstellung der Ereignisse nicht besonders leicht zu folgen ist. Man hat es eben doch lieber geordnet, der Reihe nach, choronologisch.
Was ist das Gegenteil von chronologisch? Google beantwortet diese Frage mit dem Zitat " Es gibt kein Gegenteil von chronologisch; genauso wenig, wie es ein Gegenteil von alphabetisch gibt."
Damit will ich mich jedoch nicht zufrieden geben und frage Nelson um Rat, der mich zur Zeit in seinem Haus in der gleichnamigen Stadt wohnen lässt und hauptberuflich ein lokales Wochenblatt veröffentlicht.
Wer sonst sollte sich so gut mit sprachlichen Begrifflichkeiten auskennen wie ein freier Journalist? Nelson erfüllt meine Erwartungen und macht mich mit dem Ausdruck "anachronous" bekannt - anachronistisch.
Bei dem Gegenteil von alphabetisch muss jedoch auch Nelson kapitulieren. Allerdings führt uns dieser Denkanstoß in ein pseudo-philosophisches Gespräch über die Bedeutung von Chaos und Struktur sowie die Illusion der absoluten Ordnung durch Zeit und Datum.
Nelson, der ein bekennender Anhänger der Unstrukturiertheit ist, will mir soeben erklären, warum ein Kalender keine zutreffende Darstellung von Monaten liefern kann, als ein Blick auf meine Armbanduhr unserer,durchaus interessanten, Konversation ein verfrühtes Ende versetzt.
Es ist 11:30 am Neujahrsmorgen und gleich beginnt der traditionelle Polar Bear Swim, für den ich mich selbstverständlich ohne zu Zögern angemeldet habe. So einigen wir uns noch darauf, dass sich eine anachronistische Erzählweise auf Grund der mangelnden Leserfreundlichkeit nicht für einen Blogeintrag eignet, und machen uns auf den Weg zum nahegelegenen Kootenay Lake, in dessen eisiges Wasser sich gleich knapp 40 mutige Teilnehmer stürzen.

Nun bin ich wieder daheim, und würde gerne mehr erzählen von...

...dem waghalsigen Sprung ins kühle Nass, der nicht so kalt verlief wie anfangs erwartet
...meiner neuen Leidenschaft für Ukulelen
... und von den Crosscountryski Erlebnissen in Whitewater. 

Doch Nelson möchte gerne unser Gespräch von heute Morgen vortsetzen, so dass ich mich wieder vom Computer abwende und seiner Einladung ins Wohnzimmer folge, wo er wie üblich mit konzentrierter Miene auf der Couch sitzt und darauf wartet, seine Gedanken mit jemandem teilen zu können.
Vielleicht hat er ja mittlerweile das Gegenteil von alphabetisch entdeckt.