Ungeachtet der Tatsache, dass ich seit Oktober ´11 keinen Blogeintrag mehr verfasst habe, werde ich nun nahtlos an meine voherige Berichterstattung anknüpfen.
Eigentlich hatte ich vor, Abstand von der herkömmlichen Erzählstruktur zu nehmen, die meist linear zur zeitlichen Abfolge verläuft.
Dann würde ich als Erstes von meinem Farmaufenthalt auf Salt Spring Island berichten, der etwa einen Monat zurück liegt und mir vorwiegend wegen den Tonnenladungen an Hundekuchen in Erinnerung geblieben ist, die ich dort in einer kleinen Küche in Anwesenheit von 9 hunrigen Vierbeinern hergestellt habe. Ich würde erzählen von...
... sonnigen Spaziergängen im Ruckle Provincial Park, bei denen man nicht selten auf Seehunde und Weißkopfseeadler trifft
... wilden Truthahneinfangversuchen, die als begehrter Weihnachtsschmaus ganz oben auf der Wunschliste vieler Kanadier stehen
... einem mehr als delikatem Gourmet-5-Sterne-Dinner mit fangfrischem Krebs- und Krabbenfleisch
... dem bestimmten Verhältnis von Bratensoße und Maismehl, das man bei der fachmännischen Herstellung von Hundekuchen unbedingt beachten sollte
... und von Ganges Harbour, dem charmantesten Hafen der man sich wohl vorstellen kann.
Völlig aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen käme nun die Anekdote mit dem vielsagendem Namen "5 Reisende und ein kaputtes Auto", die sich so oder so ähnlich in der Vorweihnachtszeit auf dem Weg von Victoria nach Nelson ereignet hat. Nicht zu vergessen natürlich der, bereits dritte, Aufenthalt bei meiner kanadischen Ersatzfamilie in Johnsons Landing. Ich würde erzählen von..
... einer Wanderung zum Fry Creek Point und meiner Enttäuschung, da noch überhaupt kein Schnee zu sehen ist
... drei ganz wunderbaren Menschen und einem Hund, die mir alle sehr ans Herz gewachsen sind
...dem ersten Schneefall in Kaslo
... und von meiner Freude darüber.
Anschließend würde ich in den früher November zurückverfallen und von meiner Großstadtzeit in Vancouver erzählen, in der ich meinen Durst nach Kunst und Kultur gestillt habe. Hühner fütter und Kohl ernten erfüllen eben nicht das gleiche Bedürfniss wie Theaterbesuche und Konzerte.
Ich würde erzählen von...
... den Feierlichkeiten in einer Canadian Legion am Rememberance Day, der am 11. 11 in Gedenken an die gefallenen Soldaten zelebriert wird
... Ausflügen an die English Bay, die trotz ihrer zentralen Lage eine kleine Oase zwischen den großen Wolkenkratzern bildet
... 11 lachenden Riesen aus Zink
... und von der Zelstadt des Occupy Vancouver auf dem Vorhof der nationalen Art Gallery.
Dann ist mir jedoch aufgefallen, dass dieser durcheinander geratene Darstellung der Ereignisse nicht besonders leicht zu folgen ist. Man hat es eben doch lieber geordnet, der Reihe nach, choronologisch.
Was ist das Gegenteil von chronologisch? Google beantwortet diese Frage mit dem Zitat " Es gibt kein Gegenteil von chronologisch; genauso wenig, wie es ein Gegenteil von alphabetisch gibt."
Damit will ich mich jedoch nicht zufrieden geben und frage Nelson um Rat, der mich zur Zeit in seinem Haus in der gleichnamigen Stadt wohnen lässt und hauptberuflich ein lokales Wochenblatt veröffentlicht.
Wer sonst sollte sich so gut mit sprachlichen Begrifflichkeiten auskennen wie ein freier Journalist? Nelson erfüllt meine Erwartungen und macht mich mit dem Ausdruck "anachronous" bekannt - anachronistisch.
Bei dem Gegenteil von alphabetisch muss jedoch auch Nelson kapitulieren. Allerdings führt uns dieser Denkanstoß in ein pseudo-philosophisches Gespräch über die Bedeutung von Chaos und Struktur sowie die Illusion der absoluten Ordnung durch Zeit und Datum.
Nelson, der ein bekennender Anhänger der Unstrukturiertheit ist, will mir soeben erklären, warum ein Kalender keine zutreffende Darstellung von Monaten liefern kann, als ein Blick auf meine Armbanduhr unserer,durchaus interessanten, Konversation ein verfrühtes Ende versetzt.
Es ist 11:30 am Neujahrsmorgen und gleich beginnt der traditionelle Polar Bear Swim, für den ich mich selbstverständlich ohne zu Zögern angemeldet habe. So einigen wir uns noch darauf, dass sich eine anachronistische Erzählweise auf Grund der mangelnden Leserfreundlichkeit nicht für einen Blogeintrag eignet, und machen uns auf den Weg zum nahegelegenen Kootenay Lake, in dessen eisiges Wasser sich gleich knapp 40 mutige Teilnehmer stürzen.
Nun bin ich wieder daheim, und würde gerne mehr erzählen von...
...dem waghalsigen Sprung ins kühle Nass, der nicht so kalt verlief wie anfangs erwartet
...meiner neuen Leidenschaft für Ukulelen
... und von den Crosscountryski Erlebnissen in Whitewater.
Doch Nelson möchte gerne unser Gespräch von heute Morgen vortsetzen, so dass ich mich wieder vom Computer abwende und seiner Einladung ins Wohnzimmer folge, wo er wie üblich mit konzentrierter Miene auf der Couch sitzt und darauf wartet, seine Gedanken mit jemandem teilen zu können.
Vielleicht hat er ja mittlerweile das Gegenteil von alphabetisch entdeckt.
Das Jahr fängt ja gut an . . . weiter so.
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