Es ist Montag der 12. März 2012. Mein Rucksack, den ich schnell noch in der letzten Nacht zusammen gepackt habe steht abreise bereit; auf das erstaunlich Nötigste begrenzt komme ich gerade mal auf insgesamt 22 Kilo.Und dann ist es auch schon wieder so weit. Nach dem gut vierwöchigen Berwerbungsurlaub steht der erneute Abschied von der Familie bevor. Ich möchte mich hier vor allem einmal bei meinen Eltern, aber auch bei allen anderen, die mich „für“ Kanada unterstützt haben, bedanken. Ohne euch könnte ich dieses Abenteuer nicht so ausleben, wie es mir möglich ist: Danke! Auch wenn der Abschied wieder schwer fällt, ich freue mich doch auf die nächsten dreieinhalb Monate und somit meinen dritten Teil des „big canadian adventures“! Kanada, es gibt da noch ein paar Sachen zu erleben!
3.Teil des Abenteuers
Mittlerweile sitze ich seit drei Stunden auf dem Flughafen Hannover fest. Auch wenn ich mit den übrigen Passagieren nach zwei Stunden Warterei endlich ins Flugzeug gelotst werde, der Pilot erhält durch starken Nebel in England keine Starterlaubnis. Mir tut die merkbar überforderte Stewardess am Schalter schon etwas leid, die ersten Passagiere machen ihrem Unmut Luft, auch die letzte Stunde im Flugzeug trägt nicht maßgebend zur Erheiterung der Allgemeinstimmung bei. Ich störe mich an den Verspätungen, wohl bemerkt, noch nicht so sehr. Nach einer Weile fange ich an zu lesen und bin über das „geordnet, herrschende Chaos“ der Bodencrew des Flughafens amüsiert. Es gibt unglaublich viele, kleine weiße Flughafenfahrzeuge, die mitsamt Fahrer in merkwürdigen Formen um andere herumfahren oder die ich während meiner Wartezeit gefühlt jede zweite Minute wieder vorbeifahren sehe. Zugegeben, auch mir wird nach 180 Minuten etwas langweilig, ich fange gerade an zu überlegen, was man mal zur allgemeinen Erheiterung anstellen könnte, aber da geht es dann endlich los. Der Pilot startet die Maschinen und ich kann mir für den Überflug nach London die erstaunt aufgeregte, beunruhigte Unterhaltung der Damen hinter mir anhören. Ja, irgendwie ist es dann sogar toll, als man endlich wieder ausstiegen kann.
Als ich in einem früheren Abschnitt dieses Posts erwähnt haben sollte, dass mir die Warterei nicht auf die Nerven gegangen sei, jetzt ändert sich meine Meinung schlagartig. Durch die dreistündige Verspätung in Hannover kann ich in London Heathrow gerade noch dem Anschlussflug nach Vancouver hinterher winken. Auch wenn die Lufthansatante, die sich mit mir sofort auf die energische Suche nach einem Ausweichflug macht und den Hörer heiß redet, wirklich alles erdenklich in ihren Job setzt und letztendlich auch erfolgreich zu sein scheint, jetzt habe ich, wie gesagt, keine so gute Laune mehr. Dann die Erleuchtung: Sie drückt mir einen Zettel in die Hand, ich kann ihre Schrift nicht so richtig entziffern, auf meinen fragenden Blick fängt sie an zu fuchteln und meint, das verstehe ich sogar, ich solle mich umgehend zu Terminal 5 begeben. Um mein Gepäck solle ich mir mal keine Sogen machen (was sich vielleicht doch später als Fehler herausstellt), es würde über die Maschine mitgeschickt. Nun sei zu erwähnen, dass der Flughafen in London, Heathrow wirklich unglaublich hässlich, aber einfach auch sehr, sehr groß ist. Gerade noch rechtzeitig, etliche Gänge entlang hastend und unzählige Rolltreppen benutzend, komme ich an der Bushaltestelle an. Noch einmal dauert die Busfahrt zehn Minuten, dann geht es endlich einem neuen Flugzeug und einer neuen Fluggesellschaft Richtung Canada. Ich habe einer Dreiersitzreihe für mich alleine, das Treten des kleinen Mädchens, dass nach rund sechs Stunden zum Schlafen auf den freien Plätzen abgelegt wird, stört durch die stoß dämpfende Wirkung meiner Jacke auch nicht übermäßig, so kann sie mir wenigstens nicht mehr von dem Platz aus hinter mir in den Rücken treten.
Mein nächster Stopp: Calgary, Alberta. Hier dann erste Anzeichen eines Schocks; mein Gepäck taucht, auch nach einer halben Stunde, nicht auf. Vorsichtshalber gebe ich eine Vermisstenanzeige nach dem grünen Seesack auf, muss dann auch schon wieder weiter hasten und mich um die nächsten Flüge kümmern. Nächstes Ziel heißt Vancouver. Auch wenn die Flughäfen, sowohl Calgary als auch Vancouver eigentlich sehr schön sind, mittlerweile habe ich auf diese ganze Hetzerei keine Lust mehr. Ich spare nun hier die Beschreibungen der letzten Flugstunden, nur so viel: Man wird müder und müder.
In Whitehorse scheint es ordentlich zu schneien. Am Fenster kann man die aufleuchtenden Schneewirbel über die Tragflächen ziehen sehen. Trotz erheblichen Windes und einer Flugbahn, die einfach tierisch vereist sein muss, lande ich schließlich um 01:20 Uhr heile in Whitehorse. Wer jetzt glaubt, dass einen nach einer solchen Reise nichts mehr schocken kann, der soll erst einmal erleben, dass dann des Gepäck doch nicht so mitgeschickt wurde, wie angesagt; Natürlich bin ich es, der am Ende alleine und ohne Gepäck in der leeren Wartehalle stehen bleibt. Einfach wunderbar! Ich schleppe mich erneut zu einem Schalter und geben, das Prozedere kenne ich ja mittlerweile, mein Gepäck endgültig als vermisst an. Bis auf eine Informationsnummer bekomme ich erstmal nichts weiteres. Man kann also nur hoffen, dass auch meine, auf das Nötigste begrenzte, Ausrüstung noch einmal den Weg in den Hohen Norden Canadas finden wird. Das könnte sonst doch etwas kühl werden...
Hier noch einmal eine letzte Überlebensanleitung für Verschollene auf dem Flughafen Whitehorse:
- Auf ein paar der Sitzbänke kann man sich hinlegen, es sei dabei allerdings darauf zu achten, dass man nicht zwischen die einzelnen Stühle rutscht
- Bedingt durch die Klimaanlagen und die Getränkeautomaten sollte man eventuelle jackenähnliche Gegenstände nicht als Kopfkissen, sondern in ihrem zugedachten Verwendungsbereich benutzen
- Mindestens den Kopf zum Diebstahlschutz auf Rucksack und Schuhe, wer zusätzlich eine Decke findet, ist hier denkbar glücklich
- Ein Aufwachen im „alle halbe Stunde Takt“ ist ganz normal (fragen sie einfach einen der Flugzeugangestellten, der in etwas alle halbe Stunde ausgerechnet die scheinbar schwersten Schokoriegel und die vollsten Flaschen aus den Automaten dreht). Auch eventuelle Reinigungskräfte, die mitten in der Nacht auf einem leeren Flughafen mit so ziemlich jedem, zur Verfügung stehenden, Arbeitsgerät auffallend oft um dich herumfahren und anscheinend den Bodenbelag für dein Aufstehen um dich herum eigentlich wegputzen wollen, können dir dieses Phänomen bestätigen
Bevor ich nun wieder für ein paar Tage als Hundeschlittenguide arbeiten kann, werde ich mir nun heute den Tag über, der nebenbei um fünf Uhr morgens mit dem Erscheinen der ersten Fluggäste Whitehorse- Vancouver begonnen hat, das weiße Pferd ein bisschen genauer ansehen, ich habe noch ein paar Sachen zu erledigen und werde den einen oder andere Bekannten besuchen.
Da es nun einmälig hell wird, werde ich mich nun mit einer kleiner Bitte meinerseits verabschieden: Falls irgendjemand einen grünen Seesack mit einem, auf das Nötigste bepackten, Rucksack finden sollte, einfach nach Whitehorse schicken. Ich brauche den... ;)
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