Es ist zwei Uhr nachts; mein Wecker
klingelt. Ich fahre hoch erwürge das nervtötende Geräusch und
bemerke, dass ich jede Nacht etwas schneller im Ausschalten im
Ausschalten werde und mich immer mehr überwinden muss, auch wirklich
aufzustehen. Verschlafen ertaste ich den Lichtschalter, ich schlüpfe
in die dreckige Jeans, werfe die Jeansjacke über die Schulter und
stolpere die Treppen zur Tür hinunter, der Cowboyhut und die Stiefel
vollenden meine Arbeitstracht. Langsam schlendere ich durch die
Rinderherde, lasse den Lichtkegel des Scheinwerfers langsam über die
Tiere wandern. Meine Hoffnung erfüllt sich diese Nacht: Kein neues
Kalb, das heißt ich kann nach der Patrouille relativ schnell wieder
zurück ins Bett.
Willkommen auf der Welt! |
Während wir im Höhepunkt der
calving-season alle Hände voll zu tun haben, kommt unerwartet das
Winterwetter zurück. Für ein paar Tage zeigt sich der Frühling
Albertas von seiner frostigen Seite, Wir sind innerhalb von
vierundzwanzig Stunden gut 30cm eingeschneit.
gophers all over the place! |
Die Kontrollchecks
werden auf alle zwei Stunden erweitert, ich ziehe es vor mir den Weg
zu sparen und die Nacht in der Scheune zwischen den Heuballen zu
verbringen. Nachdem der Schnee unaufhörlich im Minutentakt das Dach
herunter rutscht, ziehe ich um vier Uhr um: In der calving-barn kann
ich wenigstens noch ein paar Stunden die Augen zu machen, an die Kuh
mit Kalb im Zweimeterabstand habe ich mich schnell gewöhnt.
Das Nachtlager |
Als ich
am nächsten Morgen die unvergesslichste Autofahrt meines isherigen
Lebens hinter mir habe, schwöre ich mir, meinen geliebten Truck
unter den herrschenden Winterbedingungen einfach nicht mehr
anzurühren. Auch wenn der Heimweg von der Fleischlieferung nur rund
25 Kilometer lang ist, es ist der Horror: Durch den Schnee, kann ich
die Beschilderung der Straßen (sowohl gravelroads als auch highway)
nicht lesen, die Skizze, die mir Lindsay angefertigt hat, stellt sich
als falsch heraus, ich lande haarscharf, wahrscheinlich bedingt durch
die speziellen Brems- und Lenkeigenschaften des Dodges, im Graben
(ich sehe drei Fahrzeuge, die von der Fahrbahn abgekommen sind und
nun im Graben qualmen), abschließend rutsche ich an meiner Kreuzung
vorbei. Frei nach dem Motto „if you can't dodge it, ram it“
beschließe ich den Umweg zur nächsten Stadt in Kauf zu nehmen,
möglichst nicht mehr zu lenken und auch das Bremsen sein zu lassen.
"If you can't dodge it, ram it!" |
Etwas fertig komme ich eineinhalb Stunden später wieder auf der
Ranch an, ich habe eine neue Geschichte zu erzählen und muss mich
erst einmal bei cookies and coffee erholen. Den Rest der
Fleischlieferung erledigen Lindsay und ich dann doch zusammen.
Nachdem wir die Lieferung bei der Schlachterei abholen, übernehme
ich die Copilotrolle, wir sind den Rest des Tages damit beschäftigt
die Liste der Bestellungen abzuarbeiten und zu den Kunden raus zu
fahren.
Mein Aufgabenbereich umfasst so
ziemlich jede Tätigkeit, die hier auf den Ranchen anfällt. Von
Treckerfahren, über Füttern, Ausmisten, Zäune bauen und
reparieren. Ich habe schon jetzt unglaublich viel gelernt.
Die hohe Kunst des Zaunbaus |
Es ist Donnerstag. Mit einem Eimer voll
Hafer bewaffnet klettere ich über das Weidentor. Unermüdlich „come
boys, come boys“ rufend positioniere ich mich möglichst standfest
neben dem Tor. Ein Wiehern ertönt, dann kommt die Pferdeherde der
Ranch auf mich zu galoppiert. Ich werfe meinem Paint Horse den Strick
um den Hals, fange noch drei andere Pferde ein und parke sie dann in
der Scheune.
Nach und nach kommt die Crew, eine Gruppe aus Cowboys,
bestehend aus Lindsay, Travis, Lori-Anne, Doc, Stan und mir,
zusammen. Eine knappe Begrüßung, die Pferde werden geputzt und
gesattelt und auf geht’s.
Die Kuh muss wohl auf den Kleinen getreten sein: Das Bein ist gebrochen |
Dank Doc: Ein erneutes Mal vet yourself! ;) |
...und das verarztete Kalb geht zurück zur Mama! |
We are riding at one! Auf dem Weg zur
Herde werden Witze erzählt und gelacht. Ich liebe diese Tage, über
die Prärie galoppieren, die neuen Kälber mit dem Lasso einfangen,
impfen und markieren. Nach anfänglichen Schwierigkeiten habe ich die
Kunst des Lasso werfen jetzt nach etlichen Trainingseinheiten
gefestigt. Hat man sich ein Kalb ausgesucht, heißt es „ride hard
and ctach em!“.
got him! |
Manche der Kühe zeigen sich dann etwas
ungemütlich. Sie Fangen an zu schnauben, manche attackieren. Ich der
freie Mann hat dann die Verantwortung die Bodencrew beim Impfen zu
beschützen. Der Größe meines Pferdes habe ich es zu verdanken,
dass uns die Kuh nicht um schmeißt, als wir uns als lebende Barriere
zwischen Lindsay und Rindviech begeben.
Immer dabei: Quill der Border
Collie. Der alte Junge hilft wo er kann, zwickt die Problemrinder in
die Fersen, man kann ihm die Freude an der Arbeit ansehen.
Es rumst
ganz ordentlich, als einer der Kuhfüße ihn unter der Schnauze
trifft. Doch genau wie mein Pferd, steckt der Hund den Angriff
unbeeindruckt weg, alle sind in der Arbeit vertieft. Nach rund fünf
Stunden sind die Rinder versorgt, die Crew macht sich auf den
Heimweg. Im Stackroom wird dann an einem solchen Abend vorm Feuer ein
Whiskey getrunken, noch mehr Witze und Cowboystories erzählt und
viel gelacht.
Die wahren Cowboys |
Ein neuer Tag kann kommen, ich mache
mich auf den Heimweg und reite in den Sonnenuntergang!
Liebe Grüße aus Alberta